3.35 - Die Geburt der Presse in Esch

 

Im „Livre du Cinquantenaire“ von 1956 brachte der Tageblattjournalist Paul Muller einen kurzen Beitrag über das Escher Zeitungswesen. In 2 von 6 Seiten beklagt Muller sich darüber, dass es keine Forschung darüber und keine ernsthaften Archive gibt. Inzwischen hat es in dieser Hinsicht vor allem Fortschritte gegeben durch 2 wissenschaftliche Arbeiten:  „Der arme Teufel - monographie d’un journal socialiste luxembourgeois 1903-1929“ von Janine Frisch-Wehenkel (1978) und „La Presse Luxembourgeoise 1704-2004“ von Romain Hilgert (2004).

 

Die schnelle Entwicklung Eschs zu einer echten kleinen Stadt stülpte das dörfliche Leben um und förderte das Entstehen von Presseorganen. Dieses Entstehen passt auch besonders gut zum Gründercharakter der Ortschaft und zu der völlig neuen gesellschaftlichen Problematik, die der Aufbau der Schwerindustrie und das Anwachsen seiner Belegschaften mit sich brachten.

 

Zeitungen hatte es bisher vor allem in Luxemburg-Stadt, Diekirch, Echternach und Grevenmacher gegeben. Es ist uns nicht bekannt, wann die erste Druckerei in Esch entstand.

 

Das erste Escher Blatt „Le Courrier d’Esch-sur-Alzette“ erschien bereits am 2. Januar 1873 und wurde in Luxemburg redigiert. Dort wurde es bei Fr. Beffort gedruckt und von der Escher Firma Kremer herausgegeben. Die erste Nummer versprach, laut R. Hilgert, dass die Arbeit Freiheit schaffe und deshalb die Interessen des Escher Reviers zu verteidigen sei. Der Courrier erschien zweimal die Woche und musste nach kurzer Zeit eingestellt werden.

 

Am 17. Mai 1884 erschien die erste Ausgabe der Wochenzeitung „Escher Volks-Zeitung“ beim Escher Drucker und Verleger J.H. Willems. Das Blatt war katholisch. Der Untertitel hiess: „Organ für Stadt und Canton Esch, sowie für das ganze Luxemburger Land“. Die letzte erhaltene Ausgabe ist die vom 27.6.1891.

 

1887 erschien als Konkurrenz zur Escher Volks-Zeitung in der Druckerei von Joseph Origer aus Esch die „Escher Zeitung“. Laut Muller wurde sie von einem gewissen Herrmann herausgegeben. 1890 rief sie bei den Wahlen zugunsten der liberalen Kandidaten auf. Sie erschien bis 1896.

 

Am 30. März  1895 erschien zum ersten Mal der „Escher Courrier“ mit dem Untertitel „Allgemeine Zeitung und Anzeigenblatt für die Interessen aller Stände“. Verlag G. Willems, Handelsstrasse 33. Nach eigener Definition war das Blatt „von tolerant-christ-katholischer Tendenz“. 1896 rief sie bei den Wahlen für den konservativen Baron de Tornaco auf. Eine Woche später druckte sie aber auch eine Anzeige für eine Wahlversammlung der Sozialdemokraten Dr.Welter und Spoo ab. Das Blatt erschien mittwochs und samstags. Das Erscheinen wurde wohl Ende 1896 eingestellt.

 

Vom 1. Juli 1888 erschien die „Escher Post“, „Unabhängiges Organ zunächst für Stadt und Kanton Esch a.d.Alz.“ Das Blatt definierte sich „in religiöser, wie in politischer und sozialer Hinsicht streng konservativ“. Sie war eine Regionalausgabe der „Luxemburger Post“. Sie erschien zuerst zweimal die Woche, dann dreimal, dann ab 1907 nur mehr zweimal.

 

Auch die „Escher kleine Presse“ des bekannten Journalisten Nic. Moes war eine Escher Lokalausgabe der „Luxemburger kleinen Presse“. Sie wurde ab Juli 1897 in der Escher Druckerei G. Willens gedruckt. Sie schwankte zwischen der Unterstützung der Sozialdemokraten und der Liberalen. Der Bischof hatte ein kirchliches Verbot gegen das Blatt ausgerufen. Das Gericht hatte das Blatt verfolgt und schließlich weigerte sich Willems weiter zu drucken. 1898 wurden die beiden Ausgaben zur „Luxemburger und Escher Kleinen Presse“ vereint. Kurz danach stellte sie das Erscheinen ein.

 

Im Dezember 1898 erschien das Wochenblatt „Escher Volksblatt“ mit dem Untertitel „Sozialpolitische Zeitung“ im Verlag des vorgenannten G. Willems. Das Escher Volksblatt stand links, ergriff deutlich politisch und programmatisch Stellung und war wohl als Vorbereitung für die Gründung einer politischen Partei gedacht. Es erschien jeden Sonntag auf 4 Seiten. Die letzte Nummer ist auf den 28. Dezember 1901 datiert.

 

Die Woche danach und bis 1913 gab Dr. Michel Welter das „Escher Journal“, später „Neues Journal“ heraus. Sie gehörte zuerst Dr. Michel Welter und Jean Schaack-Wirth und wurde dann in die Gründung der Aktiengesellschaft Maison du peuple eingebracht. Sie war das erste Organ der aufkommenden Sozialdemokratie. Das Escher Journal wurde dann 1913 von der Tageszeitung „Escher Tageblatt“ abgelöst, das bis heute erscheint und die zweitgrößte Zeitung des Landes ist.

 

 

Im Dezember 1903 gab der Schneider Jean Schaack-Wirth aus der Handelsstrasse „Der arme Teufel’’, mit dem Untertitel „sozialdemokratische Zeitung“, heraus. Sie erschien bis 1929 und wurde allerdings in Luxemburg bei Nimax gedruckt. Maßgebliche Mitarbeiter waren wohl Georges Droessart, Schuster in Luxemburg und später in Differdingen und Jacques Thilmany, Scherenschleifer in Pfaffenthal und später Stadtschöffe in Esch. Die Devise des Armen Teufels hieß: „Der Wahrheit zur Ehr. Den Armen zum Schutz. Den Mächtigen zum Trutz.“ Das Blatt war eine deutliche Konkurrenz zu Welters Escher Journal. Die Gründung des armen Teufels war darauf zurückzuführen, dass Dr. Welter eine Blockpolitik mit den Liberalen betrieb und die linke Politik somit verwischt wurde. Unter dem Druck des zensitären Wahlrechts (die Arbeiter durften nicht wählen) versuchte Welter in bürgerlichen Kreisen Stimmen zu fangen. Teilweise und zeitweise waren die Herausgeber des armen Teufels immer noch Mitglieder der sozialdemokratischen Partei.

 

 

Somit kamen bis zum ersten Weltkrieg 9 verschiedene Pressorgane in Esch heraus. Dies allein verdeutlicht, dass die Entwicklung der Ortschaft seit der Errichtung der beiden Schmelzen einen echt städtischen Charakter angenommen hatte. Die 2. Verleihung der Stadtrechte lässt sich also nicht nur aus den Bevölkerungszahlen rechtfertigen.

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