In der offiziellen Geschichtsschreibung wurde die zweite französische Zeit (zwischen 1794 und 1814) oft als eine Art Fremdherrschaft behandelt, wobei die nachfolgende, die Eingliederung Luxemburgs in das Königreich der Niederlande als mehr oder wenig natürlich angesehen wurde. Diese Sicht findet sich auch in den Schriften des Lokalhistorikers Joseph Flies. Es ist richtig, dass unter dem französischen Regime Luxemburg nur ein Departement, das „département des forêts“ war, aber unter dem holländischen Regime war es nur eine ausgebeutete Provinz. Wie hatte sich das französische Regime ausgewirkt ?

 

Zum ersten war nach dem Brand von Esch 1794 die Bevölkerung auf weniger als 500 zurückgegangen. Bis 1815 hatte sie sich aber auf 829 erhöht, was auf einen wirtschaftlichen Aufschwung hindeutet. Die Versteigerung  der Kirchengüter zeigt aber, dass die Escher kaum Geld hatten : Im Juni 1798 wurden zuerst die Güter versteigert, die an der Marienkapelle hingen (am Norbert Metz Platz, wo heute das Café de la Chapelle steht) : 3 Wiesen und 6 Felder. Sie wurden einem französischen Regierungsbeamten aus Luxemburg, Jacques Tailly, für 9.200 Franken zugeschlagen. Die Güter, die an der St. Johannskirche hingen (die alte Escher Kirche, die auf dem Areal der heutigen Schule in der Grossstrasse stand) waren bedeutender : 16 Gärtchen und 18 Wiesen. Diese ersteigerte ein gewisser Schneider, dessen Wohnort nicht bekannt ist, für 60.500 Franken. Ein zweites Los mit 32 Feldern wurde für 30.200 Franken zugeschlagen, ein drittes, mit dem ruinierten Pfarrhaus für 40.200 Franken. Es muss eine weitere, bedeutende Versteigerung gegeben haben, die den Besitz einer Priesterzunft betraf, die ihren Sitz in Esch hatte, aber durchaus einen regionalen Charakter hatte : die „confrérie Saint Georges“. Diese Versteigerungen war nicht sozial : die Pauschalangebote erlaubten es den Escher Bürgern nicht, mit zu bieten. Die neuen Besitzer mussten nur eine Anzahlung abliefern. Den Rest brachten sie dadurch auf, dass sie die Lose einzeln mit Gewinn weiter verkauften.

 

Von 1806 gibt es eine Liste de meistbesteuerten Bürger. Da taucht an der Spitze wieder ein Charles Schauwenburg auf. Weit abgeschlagen folgen Henry Weis aus Lallingen, ein Landwirt, Jean.Baptiste Jost, ein früherer Gerichtsschreiber, Gilles Vandyck, Landwirt, Witwe Anne Haas, Landwirtin, Pierre Schmit, Hufschmied, Jacques Schmit, Landwirt, Charles Kerschen, Landwirt. Auffallend ist dabei, dass die Landwirte überwiegen. Hängt das etwa mit der Neuverteilung des Grundbesitzes unter der Revolution zusammen ? Wir wissen, dass es in Esch viele Handwerker gab.

 

Administrativ gehörte Esch nun zum Kanton Bettemburg, nachdem der Kantonssitz mehrmals gewechselt hatte (Zolwer, Hesperingen, Niederkerschen). Ab dem Jahre 7 (1798-1799) und bis 1876 besteht die Gemeinde aus Esch, Schifflingen, Lallingen, Berwart-Schloss, Udingen und 4 Mühlen. Esch war von 1795 bis 1800 eine « agence municipale ». Erster Agent wurde im Monat Ventôse des Jahres 4 (das ist Februar 1796) Egide Vandick. Dann wurden die Bürgermeister immer am 22. September gewählt, dem Neujahrstag des republikanischen Kalenders. Im Jahre 1796 war es Johann Bach, 1797 nochmals Johann Bach, der abgesetzt wurde und schließlich Jean Vandyck, der bis 1812 Agent resp. Bürgermeister blieb. Von diesem Jean Vandyck, der von 1767 bis 1839 lebte, gibt es erstaunlicherweise ein schönes Foto, für das er in einem Atelier von Metz im Frack und mit dem Zylinderhut auf dem Schoss posierte. Die Fotografie war erst 1832 erfunden worden.

 

Die lokalen Schöffengerichte wurden abgeschafft und von kantonalen Friedensgerichten abgelöst. Laut Flies bestand das Escher Gericht jedoch inoffiziell weiter und die Escher wandten sich weiterhin an es. Die französische Revolution hatte die Galgen abgeschafft und angeordnet sie ab zu montieren. Laut dem Historiker Joseph Hess empfanden manche Gemeinden, die, wie Esch, die Hochgerichtsbarkeit besaßen diese Abschaffung als ein Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht. Der Galgen fungierte als ein Statussymbol. Es soll übrigens verschiedene Formen von Galgen gegeben haben, je nachdem wie hochrangig der Inhaber der Hochgerichtsbarkeit war.

 

Die Geistlichen mussten einen Eid auf die Republik ablegen, was sie meistens nicht taten, so dass sie sich einer Verfolgung aussetzten, untertauchten oder eventuell gefangen wurden. Das dauerte aber nur bis zum beginn des Jahres 1800. Am 15. Juli 1800 unterzeichnete der Konsul Napoleon ein Konkordat mit dem Papst, das die Ausübung der Religion wieder erlaubte.

 

Es dürfte interessieren, wie Esch in diesen bewegten Zeiten ausgesehen hatte. Das folgende ist der Zustand von 1790. Der Perimeter der früheren Festung war kaum überschritten. Es gab 3 West-Ostwege und 3 Nord-Südwege, wobei die nördlichen Ringe der Graben- und Wallstrasse und im Süden die Boltgenstrasse noch nicht bestanden. Nord-südlich verlief die heutige avenue de la Gare als Verlängerung des Beleserweges aber nur bis in die heutige rue du Commerce ; die heutige rue de l’Eglise ebenfalls bis zur rue du Commerce; die heutige Origerstrasse und der untere Teil der Großstrasse bis zum heutigen Stadthaus, wo damals links das stattliche Pfarrhaus und rechts der Turm stand.

 

Dieser Weg führte dann über eine steinerne Brücke mit vier Bögen. Auf dem Norbert - Metz - Platz stand eine Kapelle an Stelle des gleichnamigen Cafés. An der Kapelle vorbei, durch die heutige rue St.Antoine führte der Weg ostwärts nach Rümelingen, südwärts, der Weg nach Oth über den heutigen Boulverad Kennedy. Links an der Kapelle vorbei führte der Weg nach Schifflingen, an dem sich linksseitig die Gerberei Paquet befand. Ein Neidierfgen gab es gar nicht und auch keinen Weg. Der Pfad nach Kayl zweigte erst im Schifflinger Weg ab und nahm die Richtung über den Lallingerberg nach dem heutigen Friedhof von Kayl. Das ganze Gebiet um den Norbert Metz Platz war, außer der Kapelle und der Gerberei, unbebaut.

 

In Esch gab es in west-östlicher Richtung die heutige rue du Commerce. Es bestand ein unbebauter Weg, der der heutigen alten Luxemburgerstrasse entspricht und der bei der heutigen place Grobirchen auf den eigentlichen Weg nach Luxemburg stieß. Dieser Weg nach Luxemburg wurde in der Stadt in ost-westlicher Richtung durch die Faubourg fortgesetzt, mündete auf dem zentralen Platz der Stadt in der Mitte der Großstrasse, der heute von der Großstrasse diagonal durchschnitten wird. Eigentlich sollte dieser frühere Zentralplatz wieder als echter Platz hergestellt werden, aber dieser urbanistische Vorschlag, geannnt „der 3 Plätze“, ist in einer Schublade verschwunden. Die dritte und mittlere West-Ost-Achse war die heutige Vinzenzstrasse. Die Escher Mühle (Königsmühle) befand sich in etwa am heutigen Place de l’Ancienne Synagogue. Die Berwartsmühle stand südlich des Wegs nach Luxemburg etwa in der Léon-Metz-Strasse. Es ist kein einziges Gebäude, außer den erwähnten, an den Ausfallswegen von Esch aus zu machen.

 

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