2.21 Esch breitet sich aus

 

Der Londoner Kongress vom 19. April 1839 hatte die Unabhängigkeit Belgiens sowie die Zuteilung der 5 Distrikte Arlon, Bastogne, Marche, Virton und Neufchâteau zu Belgien besiegelt. Wilhelm I. trat 1840 zurück und machte Platz für seinen Sohn Wilhelm II. Als dieser im Juni 1840 in Luxemburg seinen Antrittsbesuch machte, sprachen manche Gemeinden sich für die Absetzung der verhassten deutschen Hassenpflug und Stifft ein, die beide für den holländischen König in Luxemburg die Exekutive innehatten. Auch Esch war dabei. Im Lande kursierte der Spruch: „Hassenpflug und Stifft – haben das Land vergifft“.

 

Ende 1840 war der Neubau der Strasse nach Luxemburg beschlossen worden.1841 wurde der neue Kanton Esch gegründet, der aus Teilen der früheren Kantone Messancy und Bettemburg zusammengesetzt war. Esch wurde am 12. Oktober Hauptort.

 

J.P. Theisen veröffentlichte 1937 bei Kremer-Müller seine Beiträge zur Geschichte der Stadt Esch an der Alzette“, in denen er ein ausführliches Kapitel dem „Verzeichnis der Häuser und sonstigen Gebäulichkeiten“ von Esch aus dem Jahre 1842 widmet. Es handelt sich um eine Liste mit Katasternummer, Natur der Immobilie, Flächeninhalt in Ar, Name und Vorname des Besitzers und dessen Beruf. Flies reproduziert dieses Material nochmals.

 

Esch zählte 1392 Einwohner und 225 Gebäude. Rechnet man 20 unbewohnbare Gebäude, wie Scheunen und industrielle Anlagen heraus, dann ergibt dies eine Belegung von 6.8 Personen pro Haus, wobei mehrere Familien in einem Haus leben konnten, wenngleich es noch keine regelrechten Ertragswohnhäuser gab.  Heute beträgt die Belegung in Esch 2,2 pro Wohnung. Als industrielle Anlagen gab es 2 Gerbereien, 1 Brauerei, 1 Mehlmühle, 1 Ölmühle, 1 Holzsägerei, 2 Behälter (?). Die Kalkbrennofenanlage ist nicht mehr erwähnt, ebenso wenig die Steinbrüche, die nicht als Immobilie betrachtet werden.

 

Die Einteilung nach Berufen der Hausbesitzer ist die folgende: 55 Ackerer, 43 Tagelöhner, 26 Maurer, 16 Leinweber, 9 Schneider, 8 Schuster, 8 Wirte, 5 Schreiner, 5 Hufschmiede, 5 Gerber, 5 Zimmerleute, 3 Wagner, 3 Beamte, 2 Müller, 2 Förster, 2 Metzger, 2 Kaufleute, 2 Nagelschmiede,  2 Handelsleute, 2 Grenzaufseher, und je 1 Landbote, Glaser, Gärtner, Schäfer, Rentnerin, Notar, Pfarrer, Lehrer, Färber und Feldhüter. Das ergibt ein Total von 215 Besitzern für 225 Gebäude. 43 Tagelöhner besaßen ihr eigenes Haus. Der Reichtum, soweit man ihn am Immobilienbesitz messen kann, war in diesem vorindustriellen Esch von 1842 recht breit verteilt. Als Mehrfachbesitzer fungieren vor allem der Notar Claude Purnot aus Metz, der das Schloss mit allen Dependenzien  besaß und, in bescheidenem Maße, die Escher Notarfamilien Nothomb und Motté.

 

1842 tauchen zum ersten Mal 2 jüdische Familien auf: Cerf (Metzger) und Cahn (Handelsleute). Die französische Revolution hatte aus den Juden gleichberechtigte Bürger gemacht.

 

Hochinteressant ist die Zahl der Leinenweber und der Maurer. Zudem muss man sich die Frage stellen, in welchem Bereich die 43 Tagelöhner arbeiteten. War es die Landwirtschaft oder die Manufaktur? Die Zahl der Leinenweber lässt vermuten, dass sie einige Beschäftigten hatten. Ebenso die Zahl der Maurer. Beide Branchen dürften aber nur aus sehr kleinen handwerklichen Betrieben bestanden haben, denn sie befanden sich durchwegs in kleinen Parzellen. Die Zahl der Maurer, die auch Hausbesitzer waren, deutet eindeutig auf Expansion hin.  Diese Expansion lässt sich auch deutlich im Katasterplan nachweisen.

 

Abgesehen von der Verdichtung des alten Zentrums zwischen den mittelalterlichen Mauern gibt es folgende neue Urbanisierungen im Vergleich zum Plan aus der französischen Zeit:

Am Weg nach Redingen (heutige rue du Canal).

Im Weg, der zwischen den Wegen nach Redingen und nach Beles über dem alten Graben angelegt worden war, also der heutigen rue du Fossé;

Die rue du Fossé hörte also auf der heutigen place des Remparts auf, wurde aber durch einen Pfad fortgesetzt, der der alten Mauer bis zur heutigen place Grobirchen folgte und heute noch manchmal Kneifgesgässel genannt wird. Zwei Häuser gab es zwischen der Kneifgesgässel und der heutigen rue des Remparts.

Der Teil der Luxemburgerstraße an dem heutigen place des Libérateurs war bebaut. Das Haus Nr 873 besteht heute noch und beherbergte ein Architektenbüro und den Juwelier Flammang.. Es gab weitere Bauten um die Schlossmühlen.

Der „Quartier“ war bereits stark urbanisiert. Dies betrifft die heutige place Norbert Metz, die heutige rue de la Fontaine, die neu angelegte rue de Neudorf, die rue Saint Antoine und ihre Fortsetzung, den Weg nach Rümelingen, der nicht zu verwechseln ist mit der rue de Rumelange, sondern längst mit der Eisenbahnanlagen verschwunden ist. François-Joseph Hoferling besaß die Wirtschaft, die heute noch café de la Chapelle heißt und auch tatsächlich am Ort der alten Kapelle steht.

 

Verschiedene Wege gab es bereits, die erst später bebaut werden: die rue du Moulin, die aus der heutigen avenue de la Gare abzweigt, aber damals bei der heutigen petite rue du Moulin aufhörte, weil dort nämlich die Alzette floß; die heutige rue de la Libération, vormals rue Neuve in Form eines Pfades; zwischen dem Boltgen und der Alzette gab es einen Weg zur heutigen place de l’Hôtel de Ville, der auch noch teilweise besteht, aber nicht benutzbar ist.

 

Es gibt 1842 auf dem Katasterplan im Bereich des Stadtgebiets noch nicht den geringsten Hinweis auf eine Tätigkeit im Bereich des Bergbaus. Würde man die Katasterparzellen auf den Höhen südlich und östlich von Esch analysieren, dann würde das ein ganz anderes Bild ergeben. Ein gewisser August Metz aus Berburg hatte seit 1838, durch seinen Escher Mittelsmann Pierre Kersch, genannt Naué, große Terrains (es sollen schließlich bis zu 800 ha gewesen sein) zum Preis von 70-80 Centimes pro Ar aufkaufen lassen. Am 12. Juli 1843 fragte er bei der Gemeindeverwaltung die Genehmigung in der Sektion Schifflingen eine Erzwaschanlage errichten zu dürfen. In Hayange und Knutange, im Tal der Fensch, verarbeitet die Familie de Wendel bereits seit einigen Jahren oolithische Minette, die sich in der chemischen Zusammensetzung von der Escher nur wenig unterscheidet…Wir wissen, dass die Gebrüder Metz ab 1850 Minette auf dem Katzenberg abbauten.

 

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