1.3. Die erste Escher „Industriezone“ oder ein palläometallurgischer Produktionsbezirk auf der Gleicht

 

Die bisher bekannten archäologischen Erkenntnisse aus der Gemeinde Esch wurden nach 2003 von den Ausgrabungsarbeiten „op der Gleicht“ in den Schatten gestellt. Die Gleicht ist ein 6 Hektar großes Feld  neben der „cité jardinière“, bei der Waldschule, das immer schon durch seine seltsam gewellte Form aufgefallen war. Die Grabung wurde durchgeführt von ehrenamtlichen Mitgliedern der Amis de l’Histoire et du Musée aus Esch unter der Führung von Herrn Camille Robert, zeitweise unterstützt von einem Team von Arbeitslosen und unter der Aufsicht des Staatsmuseums aus Luxemburg. Das Ganze wurde ausgelöst durch den Plan der Stadtverwaltung, die verloren gegangenen Schrebergärten in den Nonnewisen durch eine neue Gartenkolonie auf der Gleicht wett zu machen.

 

Das Terrain wird schon im Liber Aureus Epternaciensis genannt. Dieses, von Mönchen der Abtei Echternach hergestellte und reichlich verzierte Buch aus dem Jahre 1202 erwähnt einen Schenkungsakt an die Abtei einer Villa Hesc (Esch) durch einen gewissen Nebulungus von 773/774. Der Flurname „auf dem Wilwert“ (von Willibrord), der sich in der Nähe befindet, ist heute noch bekannt. 1972 führte Camille Robert erste systematische Erkundungsflüge durch und machte archäologische Luftaufnahmen. Solche Luftaufnahmen (aus einem Flugzeug, einem Ballon oder auch von einer sehr hohen Feuerwehrleiter) bringen Verfärbungen oder Schattierungen des Terrains zum Vorschein und geben den Archäologen erste Andeutungen zu den möglichen Fundorten, etwa der grobe Plan der Besiedlung. Befindet sich unter der Oberfläche zum Beispiel eine Mauer aus Steinen, die mit Kalkmörtel zusammengehalten wurden, so bewirkt der Kalk auch noch nach 2000 Jahren eine besondere, Kalk liebende Vegetation, die auf der Luftaufnahme als deutlicher Strich erscheint. Die Luftaufnahmen der Gleicht waren allerdings nicht wie eine Siedlung strukturiert, sondern ergaben ein mysteriöses, eher chaotisches Bild.

 

Die Suchgrabung auf der Gleicht begann im Juni 2003 und hält bis heute an. Es ist streng verboten, auf eigene Faust dort zu graben. Schätze, wie sie in Abenteuerromanen vorkommen,  werden dort nicht zu finden sein. Es geht darum, mit wissenschaftlichen Methoden zu arbeiten und archäologische Erkenntnisse zu gewinnen, die dann auch der Geschichtsschreibung dienlich sein können. Wilde Schatzsucherei behindert die Arbeit der Archäologen und ist strafbar. Die bis Dezember 2004 zu Tage gebrachten 2600 Fundstücke stammen aus der Steinzeit, der Vor- und Frühgeschichte, der Latène - Zeit, der gallorömischen Zeit, dem Früh- und Spätmittelalter und der Neuzeit.

 

Die Escher Geschichtsfreunde haben unter der Leitung des Geschichtsmuseums und mit Hilfe von Arbeitslosen sowie der logistischen Unterstützung der Stadtverwaltung 370 Gruben von 10 x 2 m und 50-60 cm Tiefe quer über die 6 Hektar der Gleicht ausgehoben und den Boden untersucht. Die Artefakte wurden dann auf die verschiedenen historischen Perioden datiert und anschließend klassiert. Weiterhin wurde versucht, einen Überblick über die Bedeutung der verschiedenen Spuren des Areals zu gewinnen und Arbeitshypothesen aufgestellt betreffend Erzwaschanlagen, Ofenanlagen, Wasserzufuhr usw. Viele Artefakte, wie Keramikobjekte dienten dem täglichen Gebrauch, manch andere wurden in der Eisenindustrie gebraucht wie etwa mehrere Lufteinlassdüsen von Öfen.

 

Die bisher freigelegten Installationen und die Fundstücke sind noch nicht systematisch ausgewertet. Die ersten Schlussfolgerungen sind allerdings verblüffend: auf der Gleicht hatte es mehr oder weniger kontinuierlich während 1500 Jahren eine Eisenproduktion gegeben! Eine schöne Münze aus den Jahren 322-323 von Kaiser Konstantin gehört zu den Funden. Verschiedene Keramiken aus dem frühen Mittelalter (fränkische Zeit) mögen aus regionaler Produktion stammen (Monnerich). Nach dem Frühmittelalter werden die Fundsachen sehr selten, so dass man annehmen kann, dass die Eisenproduktion auf der Gleicht gegen die Jahrtausendwende aufhörte.

 

Spezialisierte Archäologen, die sich mit den alten Techniken der Metallverarbeitung befassen, (paläometallurgische Archäologen) müssen jetzt die gefundenen Metallreste, Schlacken, die Reste der Installationen analysieren, und das wird sich über eine gewisse Zeit hinziehen. Wichtig ist es dabei, frühere Erfahrungen u.a. bei Grabungen in Lothringen einfließen zu lassen. Die heutigen nationalstaatlichen Grenzen gelten nicht für die Archäologie.

 

Es gibt eine Reihe verschiedener Techniken um Eisen her zu stellen, wobei auch verschiedene Arten von Erzen gebraucht werden: Bohnerz (Konkretionen aus Limonit - das ist Brauneisenstein), Rasenerz (erzhaltiges Gestein, das man an der Oberfläche fand und bis zu Beginn der industriellen Eisenindustrie nicht nur im Süden des Landes verwertet wurde), oolithische Minette (im Flachmeerbereich entstandene Sedimente von eisenhaltigen Flüssigkeiten, oft in Form von kleinen Kügelchen). Es besteht kein Zweifel, dass die Ursprungsgeschichte der Eisenproduktion unserer Gegend in den nächsten Jahren Dank der Ausgrabungen auf der Gleicht neu geschrieben wird.

 

Die alte Escher Legende, nach der der französische Geometer Renaudin in gebrochenem Luxemburgisch gesagt haben soll, als er die roten Steine sah: „Dir meng léiv Jong, dat ass sech de la mine!“ ist nun völlig hinfällig. Sie hatte ohnehin wohl nie gestimmte, da die Ausbeutung der Minette längst ins Auge gefasst war als Renaudin diesen Satz geprägt haben soll. Tatsache ist, dass die Technik der Verarbeitung unserer Minette 900 Jahre lang verloren gegangen war. 

 

Mit dieser Frage setzt sich übrigens auch der Schriftsteller Jhemp Hoscheit in seinem Beitrag im Almanach „100 Joer Esch“ auseinander: Wie heisst „dat ass sech de la mine“ auf Keltisch ?

 

Verblüffend ist auch die Vielzahl der Zivilisationen, die am selben Ort nachweisbar sind. In diesem Zusammenhang will ich eine kurze Übersicht über die verschiedenen Zivilisationen geben, die auf der Gleicht dokumentiert sind:

-       Steinzeit: (Paläolithikum, Mesolithikum, Neolithikum): Die Menschen hatten Werkzeuge aus Stein. Die Steinzeit endete mit Chalkolithikum, als man begann, Kupfererz zu verhütten. Auf der Gleicht ist vor allem das Neolithikum vertreten.

-       Bronzezeit: (in unserer Gegend vom 18. bis zum 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung). Die Menschen schufen Werkzeuge und Schmuckstücke aus Bronze. Bronze ist eine Legierung aus einem Grossteil Kupfer und anderen Metallen (je nachdem Zinn, Blei, Zink, Arsenik). Zu diesen Zeiten beherrschten die Menschen die Menschen die Eisenverarbeitung nicht; den Fusionspunkt von 1535 Grad konnten sie nicht erreichen. Nachweise aus der Bronzezeit sind auf der Gleicht bisher noch problematisch.

-       La Tène -Zeit: Nach der Hallstatkultur, die erste Zivilisation, die die Verhüttung des Eisens gemeistert hat. Von der Mitte des letzten Jahrtausends vor Christus bis zur römischen Eroberung. Es ist eine keltische Zivilisation. Der Name stammt von einem Grabungsort in der Schweiz, La Tène. Auf der Gleicht wurden sehr viele Artefakte aus der La  Tène- Zeit ausgegraben. 

-       Gallo-römische Zeit: 58 – 51 vor unserer Zeitrechnung bis zum Zusammenbruch der römischen Herrschaft in unserer Gegend.

-       Frühmittelalter: 6. bis 10 Jahrhundert (Merowinger und Karolinger).

-       Spätmittelalter.

-       Neuzeit.

 

Im November 2006 wurden auf der gleicht einige merovingische Gräber gehoben, die bereits geortet waren. Sie sollen in der Halle im Ellergronn ausgestellt werden.

 

Die Grabung auf der Gleicht wirft auch eine neue Frage auf. Wo wohnten die Menschen, die hier tätig waren: an den Produktionsorten oder weiter entfernt? Die Antwort wird sicherlich nicht für jede Epoche dieselbe sein. Unsere Minettegegend ist heute fast ausschließlich in den Tälern urbanisiert, früher wurden aber durchaus die Höhen bevorzugt  wie z.B. auf dem Titelberg. Camille Robert von den Escher Amis de l’Histoire wirft die Frage nach der Produktion von Holzkohle auf, deren Nachweis (Köhlerei) in der Umgebung der Gleicht problematisch ist. Es wurden Unmengen von Holzkohle für die Produktion von Eisen gebraucht, so dass man davon ausgehen müsste, dass die Höhen um Esch in Zeiten intensiver Produktion auf der Gleicht völlig kahl geschlagen waren.

 

 

© Copyright Frank Jost, Weitergabe gestattet nur mit Quellenangabe 

Download
PDF Download
1.3..pdf
Adobe Acrobat Dokument 73.8 KB