3.29 Puddling, Bessemer, Thomas – vom Guss zum Stahl

 

Es ist gar nicht so einfach, genau zu definieren, was nun Guss, Eisen oder Stahl ist. Alles besteht vor allem aus Eisen. In der Regel enthält das Gusseisen mehr als 2,1 % Kohlenstoff-carbone (bis zu mehr als 6 %). Stahl enthält zwischen 0,05 % und 2,1 % Kohlenstoff. Feinstahl weniger als 0.050 %. Das Gusseisen enthält je nach Gegend noch andere chemische Komponenten, wie, in unserer Gegend, den Schwefel, der die Produkte brüchig macht.  Die Produktionsresultate hängen ebenso von der ursprünglichen Qualität der Erze ab, wie von den Produktionsmethoden. Zu Beginn der luxemburgischen Hütten wurde ein Grossteil der Gussproduktion als Halbprodukt weiterverkauft. Sie musste durch die Puddleanlagen.

 

Puddling: Der Guss wird nochmals „aufgekocht“ und gerührt. Das englische verb „to puddle“ heisst soviel wie „rühren“ oder „brauen“. Durch das Rühren und die Luftzufuhr verbrennen die unreinen Partikel. Das Resultat war dennoch nicht ganz zufrieden stellend. Die Schienen dieser Zeit, waren zum Beispiel aus einem gegossenen Material, das der Belastung durch die Züge nicht lange standhielt. Der Eiffelturm besteht noch aus Puddeleisen; heute würde man Träger aus den Walzstrassen benutzen. Das unterstreicht noch die Genialität dieses Werkes aus den Ateliers von Eiffel. Das „gepuddelte“ Eisen hatte bereits in den 1820er Jahren dem einheimischen Gusseisen Konkurrenz gemacht. Von 1870 an wurde in Hollerich von der Société des Forges et Laminoirs Luxembourgeois ein Puddlinganlage mit 14 Öfen betrieben, die bis 1887 gerade so überlebte.

 

Die Bessemer-Birne: Es war ein Konverter in Form einer Birne aus Stahl, die ausgemauert ist, an einer Achse hängt und gekippt werden kann. Im Konverter von Henry Bessemer wird die Luft von unten eingeblasen. Durch die Verbrennung der Zusatzstoffe wurde das Eisen purer. Die Bessemerbirne fing bereits das ausscheidende Gas ein. Es war eine revolutionäre Entwicklung, die gerade aus den Jahren stammt, wo die luxemburgische Eisenindustrie ihren Anfang nahm. Doch die neue Technologie von Henry Bessemer schaffte ein Riesenproblem nicht aus der Welt: der Schwefel wurde nicht ausgeschieden. In den Regionen, wie in England, wo die Erze nicht schwefelhaltig waren, machten Bessemers Konverter Furore, in anderen, wie in Wales und in unserem lothringisch-luxemburgischen Bassin blieben manche Probleme ungelöst. Die Ausmauerung der Bessemerbirne bestand aus saurem Material. Es war bekannt, dass eine Ausmauerung aus basischem Material dem Problem des Schwefels Herr werden könnte. Manche Versuche mit Kalk, Zement und anderen Verbindungen scheiterten an der Kraft des kochenden Eisens.

 

Das Thomas-Verfahren: Sidney Gilchrist Thomas hatte zusammen mit seinem Cousin P.C. Gilchrist ein Verfahren erfunden, das das Schwefelproblem lösen sollte. Die Société des Forges d’Eich, unter Norbert Metz, erwarb die Lizenz am 21.4.1879 als erste auf dem Kontinent. Die innere Beschichtung der Konverter erfolgte mit einem Gemisch aus Dolomit und Teer.

Die Einführung des Thomas-Verfahrens erfolgte aber nicht zuerst in Esch sondern in Düdelingen. Sie erforderte neue Mittel an Kapital und so kam es 1882 zu einem Zusammenschluss zwischen der Eicher Hütte, der Société des Mines du Luxembourg et den Forges de Sarrebruck  zur Gründung der Düdelinger Schmelz.

Das Thomas-Verfahren war der Startschuss für die eigentliche luxemburgische Stahlindustrie. Später sollte das Thomasverfahren ein Nebenprodukt abgeben, das die Landwirtschaft maßgeblich verbesserte: das Thomasmehl oder die Thomasschlacke, die als mineralischer Dünger dienen wird. Besonders die kalkarmen Böden des Öslings profitierten ungemein davon.

 

Zwei Escher Straßennamen erinnern an die englischen Ingenieure, die die Technologie zum industriellen Aufschwung des Landessüden entwickelt haben. In der Verlängerung der Clair-Chêne-Strasse, beim Tunnel, der zum Bruchviertel führt liegt die Bessemerstrasse. In ihr befand sich vor dem Bau des „petit contournement“ also der südlichen Umgehungsstrasse von Esch, das Portal 1 von Arbed-Belval. Sie ist heute eine Sackgasse. Die Sydney-Thomasstrasse ist nicht weit entfernt und verbindet die Clair-Chène-Strasse mit der place Stalingrad. Im Rathaus befand sich gleich links am Haupteingang eine bronzene Gedenktafel für Sidney Thomas. Sie wurde beim Umbau für das Biergeramt entfernt. 

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