2.18 Unter dem holländischen Regime von 1815-1830

 

Im Oktober 1813 verlor Napoleon die « Völkerschlacht bei Leipzig ». Am 21. Februar 1814 rückten die Ententemächte in Luxemburg ein. Die französische Garnison verließ die Festung Luxemburg aber erst am 5. Mai 1814. Der Wiener Kongress, der Europa nach dynastischen Kriterien neu aufteilte schaffte das neue Königreich der Niederlande mit den Oranien-Nassauer Wilhelm I. als König. Luxemburg wurde Großherzogtum mit dem niederländischen Staatschef als Großherzog. Die Territorien östlich der Our, Sauer und Mosel gingen an Preußen. Es war die zweite Teilung des Herzogtums. Luxemburg gehörte zusätzlich zum deutschen Bund und die Festung Luxemburg wurde Reichsfestung mit einer deutschen Garnison. Das deutsche wurde zur Amtssprache erhoben. Nennt man das eine Befreiung ? Es ist aus dieser Zeit keinerlei Opposition aus Luxemburg gegen diese Neuordnung bekannt. Während die Belgier der Vereinigung mit Holland feindlich gegenüber standen, stimmten die 73 luxemburger Notabilitäten, die im August 1816 nach Brüssel gerufen worden waren um über das „Grondwet“, das holländische Grundgesetz abzustimmen, alle mit ja. Es hatte sich in Luxemburg noch nicht der Schimmer eines Nationalbewusstseins gebildet. Das Land war vorerst apathisch und hatte keinerlei politische Kultur entwickelt.

 

Die holländische Zeit wurde eine schlechte Zeit für das Luxemburger Land. Der König-Großherzog behandelte Luxemburg entgegen dem Wiener Vertrag wie eine einfache Provinz und erdrückte es mit Steuern. Die Steuerlast war so stark und so unökonomisch, dass die Besitzer von Weinbergen und Obstgärten diese abholzten um Steuern zu sparen. Es sollte bald zu einer riesigen Emigrationswelle kommen, die im Ösling ganze Dörfer entvölkerte. Die Entwicklung war aber nicht einheitlich im ganzen Land. Die Escher zog es weniger nach der neuen Welt als die junge Bevölkerung aus anderen Landesteilen. Manche Escher bevorzugten den provisorischen „Tour de France“ der endgültigen Reise über den großen Teich.

 

Der Maire Nicolas Schmitz, Paquet genannt, der im Quartier eine Gerberei betrieb, wurde durch den Gutsbesitzer Johann Nepomuk Haas ersetzt. 1815 hatte Esch 829 Einwohner, 1822 waren es bereits 1000. Es gab in Esch einen realen Aufschwung vor der Wiederentdeckung der Minette. Die Gründe für diese Entwicklung müssten noch näher analysiert werden, denn von einem Beginn von Industrialisierung kann man nur mit Vorbehalt sprechen. 1818 gab es allerdings eine zweite Gerberei, die übrigens heute noch steht im kleinen Weg neben der Wasserpumpstation im Quartier – oder ist die noch bestehende Bauruine bereits ein Nachfolgebau ? Außerdem gibt es nun einen Kalksteinbruch (vermutlich im Ellergrund oder im Schlossbusch) und ein Kalksteinofen im Schifflinger Weg. 1821 beschloss der Gemeinderat eine gemeindeeigene Ziegelei zu errichten. Damit sollte erreicht werden, dass die brandgefährlichen Strohdächer durch Ziegeldächer ersetzt werden sollten. Diese Ziegelei stand in dem Teil der rue des Remparts, der zwischen der rue de la Libération und der place des Remparts liegt, dort wo heute das „Hôtel Topaz“ und das Restaurant Favaro stehen. Die alten Escher nennen diesen Strassenabschnitt auch heute noch „Zigeleistrooss“, nicht zu verwechseln mit der rue de la Tuilerie, die in Wobrécken hinter dem Lycée Hubert Clément liegt. In dieser Strasse befand sich viel später eine industrielle Ziegelei.

 

Als Kontrast zu diesen zaghaften Anfängen von Modernisierung:1818 wird gemeldet, dass der Gemeindesekretär Alexis Brasseur eine Prämie erhielt für die Erlegung einer nicht- trächtigen Wölfin.

 

Um diese Zeit gab es in Esch eine Schule mit zwei Lehrern. Selbst unter dem französischen Regime konnte kein französisch gelehrt werden, weil die Lehrer diese Sprache nicht bemächtigten. Auch konnte das neu eingeführte metrische System (Dezimalsystem) im Rechnen nicht gelehrt werden mangels Qualifikation der Lehrkräfte. Die Schulzeit dauerte damals nur einige Monate im Jahr. Ab Herbst 1820 wurde die Schulzeit auf das ganze Jahr ausgedehnt. Die Lehrer bekamen 34 Cents für ein Kind das Lesen und Schreiben lernte und nur 19 Cents für ein Kind, das nur Lesen lernte.

 

1826 wurde der letzte Turm der Festung Esch, der „rote Turm“, der noch heute das Wappen der Stadt ziert und der an der Kreuzung Grostrasse-Luxemburgerstrasse stand, abgerissen. Mit den Steinen wurden die Kirche und der Waschbrunnen im Quartier repariert, vor allem aber ein neues Schulgebäude errichtet, in der heute noch die Primärschule „âle Lycée“ untergebracht ist. Es gab 1827 2 Lehrer für 182 Kinder und eine kleine Privatschule.

 

Zurück zur Luxemburgischen Politik. Das holländische Grundgesetz garantierte im Prinzip die wichtigsten bürgerlichen Freiheiten aber die königlichen Dekrete schafften sie wieder ab. So war die Presse einer scharfen Zensur unterworfen. Diese Zensur hatte aber in Luxemburg kaum Auswirkungen, das es bis 1821 keine Presse gab. In diesem Jahr erst gab der Drucker Lamort aus Luxemburg-Stadt das „Luxemburger Wochenblatt“ heraus.

 

Es gab in Luxemburg nicht- gewählte so genannte Provinzstände (Etats provinciaux) die aus 3 Ständen zusammengesetzt waren: die Adeligen, die Vertreter der Städte und die Vertreter des Landes. Unseres Wissens war kein Escher darin vertreten. Das Regime des König-Großherzogs nahm aber zwischen 1815 und 1830 immer mehr autoritäre und absolutistische Züge an. Im belgischen Teil des Königreiches rumorte es. Die belgischen Forderungen waren vor allem politischer Natur während in Luxemburg die Unzufriedenheit der Menschen – ohne dass diese ein Sprachrohr gehabt hätte – sich um die Steuerpolitik der Holländer artikulierte.

 

Das erst 15 Jahre alte Königreich der Niederlande steuerte auf die Spaltung hin. Die belgische Revolution stand vor der Tür.

 

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